_D. Martin Luthers ausfuerliche Erklaerung der Epistel_ _an die Galater._ Anno 1535 Neu aus dem Lateinischen uebersetzt. Published in: _Dr. Martin Luthers Saemmtliche Schriften_ herausgegeben von Dr. Joh. Georg Walch Neunter Band. _Auslegung des Neuen Testaments._ _(Schluss.)_ (St. Louis, Mo.: Concordia Publishing House, 1893) (cols. 87-92) _Das erste Capitel._ _V. 10. Predige ich denn jetzt Menschen, oder Gott zu Dienst?_ 154. Dies ist mit demselben Eifer geredet als das Vorige, als ob er sagen wollte: Bin denn ich, Paulus, der ich oeffentlich in den Gemeinden gepredigt habe, so gar unbekannt? Sind denn meine ueberaus bitteren Kaempfe und so viele Streitigkeiten mit den Juden nicht am Tage? Aus meinen Predigten, aus so vielen und so grossen Truebsalen, denke ich, ist genugsam offenbar, ob ich Menschen oder Gotte diene. Denn alle sehen, dass ich durch diese meine Predigt ueberall nur Verfolgung, den groessten und erschrecklichsten Hass meines Volkes und aller Menschen auf mich geladen habe. Damit beweise ich also genugsam, dass ich mit meiner Predigt nicht Gunst oder Beifall der Menschen suche, sondern die Wohlthat und die Ehre Gottes bekannt zu machen. 155. Auch wir (dies kann ich ohne Ruhmredigkeit sagen) suchen mit unserer Lehre nicht die Gunst der Menschen. Denn wir lehren, dass alle Menschen von Natur gottlos sind und Kinder des Zorns; wir verdammen den freien Willen, menschliches Vermoegen, Weisheit, Gerechtigkeit und jeden selbsterwaehlten Gottesdienst; kurz, wir sagen, dass durchaus nichts in uns sei, was da tauge, um Gnade und Vergebung der Suenden zu verdienen, sondern wir predigen, dass und dieselbe einzig und allein durch die lautere Barmherzigeit Gottes um Christi willen zutheil werde. Denn so erzaehlen die Himmel die Ehre Gottes und seine Werke, dass sie alle Menschen insgesammt mit ihren Werken verdammen. Das heisst sicherlich nicht den Menschen und der Welt zu Gefallen predigen. 156. Denn die Welt kann nicht heftiger und bitterer erzuernt werden, als wenn ihre Weisheit, Gerechtigkeit, Gottesdienst und alles, was sie vermag, verdammt wird. Diese besten und hoechsten Gaben der Welt verdammen, das heisst wahrlich nicht der Welt schmeicheln, sondern vielmehr aus freien Stuecken nach Hass 1) und allem Unglueck ringen (wie man sagt), und dessen auch alle Haende voll bekommen. Denn wenn wir die Menschen und alle ihre besten scheinbarsten Bestrebungen verdammen, so kann es nicht anders kommen, als dass wir sofort ihren bittersten Hass auf uns laden, dass sie uns verfolgen, in den Bann thun, uns verdammen und toedten. 157. Wenn sie nun die anderen Dinge sehen, sagt Paulus, warum sehen sie nicht auch dieses, dass ich goettliche Dinge lehre, nicht menschliche, das heisst, dass ich mit meiner Lehre nicht die Gunst der Menschen suche, sondern allein Gottes Barmherzigkeit, die uns in Christo erzeigt worden ist, verherrliche? Denn wenn ich die Gunst der Menschen suchte, so wuerde ich nicht alle ihre Werke verdammen. Aber gerade dadurch, dass ich die Werke der Menschen verdamme, das heisst, dass ich aus dem Worte Gottes (dessen Diener und Apostel ich bin) das goettliche Urtheil faelle wider alle Menschen, dass sie Suende, Gottlose, Ungerechte, Kinder des Zorns, Gefangene des Satans und verdammt seien, und dass sie gerechtigket werden, nicht durch Werke, nicht durch die Beschneidung, sondern allein aus Gnaden und durch den Glauben an Christum, so ziehe ich mir den unversoehnlichen Hass aller Menschen zu. Denn sie koennen nichts weniger hoeren, als dass sie solche Leute seien, ja, sie wollen, dass man sie preise als weise, gerechte, heilige Leute [usw.] Deshalb bezeugt dieses genugsam, dass ich nicht menschliche Dinge lehre. 158. In solche Weise redet auch Christus Joh. 7, 7.: "Die Welt kann euch nicht hassen; mich aber hasset sie, denn ich zeuge von ihr, dass ihre Werke boese sind", und Joh. 3, 19.: "Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsterniss mehr denn das Licht, denn ihre Werke waren boese." 159. Dass ich aber goettliche Dinge lehre, sagt der Apostel, kann schon daraus genugsam erkannt werden, dass ich allein Gottes Gnade, Barmherzigkeit, Wohlthat und Ehre predige. Sodann, wer das redet (wie Christus sagt [Joh. 13, 13.]), was sein Herr und Meister ihm befohlen hat, und nicht sich, sondern den verherrlicht, dessen Apostel er ist, der bringt und lehrt das gewisse und goettliche Wort. Aber ich lehre nur das, was mir von Gott befohlen ist, und verherrliche nicht mich selbst, sondern den, der mich gesandt hat. Ausserdem lade ich den Zorn und Unwillen von Juden und Heiden auf mich, darum ist meine Lehre wahr, rein, gewiss und goettlich, und es kann keine andere (viel weniger eine bessere) geben als diese meine Lehre. Deshalb muss eine jegliche andere Lehre, welche nicht ebenso wie die meinige lehrt, dass alle Menschen Suender sind und allein durch den Glauben an Christum gerechtfertigt werden, nothwendiger Weise falsch, ungewiss, gottlos, gotteslaesterlich, verflucht und teuflisch sein. Dies Urtheil trifft auch alle, welche diese Lehre fuehren, und diejenigen, welche sie annehmen. 160. So sprechen auch wir mit Paulus auf das allersicherste und gewisseste aus, dass eine jegliche Lehre verflucht sei, welche mit der unfrigen nicht stimmt. Denn sicherlich suchen auch wir mit unserer Predigt nicht der Menschen Beifall oder die Gunst der Fuersten, Bischoefe [usw., sondern allein Gottes Gunst, dessen Gnade und Barmherzigkeit wir auch allein predigen, und alles mit Fuessen treten und verdammen, was unser ist. Deshalb sagen wir zuversichtlich, dass derjenige, welcher ein anderes Evangelium lehrt, oder ein solches, das dem unfrigen zuwider ist, vom Teufel gesandt und verflucht sei. _Oder gedenke ich Menschen gefaellig zu sein?_ 161. Das heisst, diene ich denn Menschen, oder Gotte? Er fuehrt immer Seitenhiebe auf die falschen Apostel. Diese, sagt er, suchen Menschen zu gefallen und schmeicheln ihnen. Denn dadurch suchen sie, dass sie selbst wiederum an deren fleischlichem Wesen einen Ruhm erlangen moechten. Ferner, weil sie den Hass und die Verfolgung der Menschen nicht erdulden wollen, so lehren sie die Beschneidung, damit sie nur nicht die Verfolgung um des Kreuzes Christi willen zu leiden brauchen, wie es nachher Cap. 5, 11. heisst. 162. So kannst du heutzutage viele Leute finden, welche sich bestreben den Menschen gefaellig zu sein, und um ihr Leben in Frieden und Sicherheit des Fleisches hinzubringen, predigen sie Menschen zu Dienst, das heisst, sie lehren gottlose Dinge, oder heissen doch wenigstens wider ihr Gewissen die Laesterungen der Widersacher und ihr gottloses Urtheil wider das Wort Gottes gut, um nur die Gunst der Fuersten und der Bischoefe zu behalten und das Ihre nicht zu verlieren. Wir aber, weil wir bemueht sind, Gotte, und nicht den Menschen gefaellig zu sein, laden teuflischen und hoellischen Hass auf uns und leiden Schmach und Schmaehungen von der Welt, den Tod und alles Uebel. 163. So sagt Paulus hier: Ich gedenke nicht Menschen gefaellig zu sein, begehre nicht, dass sie meine Lehre loben und mich als den besten Lehrer preisen, sondern nur, dass allein Gotte meine Lehre gefalle, und dadurch mache ich mir die Menschen, die darueber entruestet werden, zu Feinden; und das erfahre ich. Denn sie geben mir zum Lohne Schmach, Laesterung, Gefaengniss, Schwert [usw.]. Dagegen die falschen Apostle lehren menschliche Dinge, das heisst, solche, die der Vernunft wohlgefallen und ihr leicht eingehen und zwar deshalb, damit sie Frieden haben und die Gunst und den Beifall des Volkes erwerben. Und wonach sie trachten, das erlangen sie auch. Denn sie werden von allen gelobt und hoch erhoben. So sagt auch Christus Matth. 6, 2., dass die Heuchler alles thun, "auf dass sie von den Leuten gepriesen werden", und Joh. 5, 44. straft er solche Leute heftig und spricht: "Wie koennt ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmt? Und die Ehre, die von Gott allein ist, sucht ihr nicht." 164. Was Paulus bis dahin gesagt hat, sind fast nur Beispiele. Doch dabei dringt er ueberall heftig darauf, dass seine Lehre wahr und die rechte Lehre sei. Darum ermahnt er die Galater, dass sie seine Lehre nicht verachten und keine andere annehmen sollen. _Wenn ich den Menschen noch gefaellig waere,_ _ so waere ich Christi Knecht nicht._ 165. Dies alles muss man auf das ganze Amt und Dienst des Paulus beziehen, so dass es eine Art Gegensatz bildet gegen seinen frueheren Wandel im Judenthum, als ob er sagen wollte: Meint ihr, dass ich noch den Menschen zu gefallen suche, wie ich frueher gethan habe? So auch nachher im fuenften Capitel, V. 11.: "So ich die Beschneidung noch predige, warum leide ich denn noch Verfolgung?" als ob er sagen wollte: Seht und hoert ihr nicht meine taeglichen schweren Kaempfe, die groessten Verfolgungen und Truebsale? Seit ich bekehrt und zum Apostelamte berufen worden bin, habe ich niemals den Menschen zu Gefallen geredet, habe niemals gesucht ihnen zu gefallen, sondern allein Gotte, das heisst, ich suche mit meinen Amte und mit meiner Lehre nicht die Ehre und Gunst der Menschen, sondern Gottes. 166. Dies sagt Paulus, um zu zeigen, wie tueckisch und hinterlistig die falschen Apostel ihn bei den Galatern verhasst zu machen suchten. Aus seinen Predigten und Schriften klaubten sie Widersprueche heraus (wie heutzutage die Widersacher solche aus unseren Buechern sammeln), und wollten ihn so ueberfuehren, dass er einander widerstreitende Dinge gelehrt haette, und sagten deshalb, man muesse dem Paulus keinen Glauben schenken, sondern die Beschneidung und das Gesetz muesse gehalten werden. Denn er selbst habe dies auch mit seinem eigenen Beispiele bestaetigt, da er den Timotheus nach dem Gesetz beschnitten haette [Apost. 16, 3.], sich mit vier Maennern im Tempel zu Jerusalem haette reinigen lassen [Apost. 21, 26.], in Kenchrea sein Haupt beschoren haette [Apost. 18, 18.] [usw.]. Die Verleumder gaben vor, Paulus habe dies von Noth wegen gethan, gezwungen durch den Befehl und das Ansehen der Apostel [usw.], waehrend er es doch den Schwachen zu Dienst aus freien Stuecken auf sich genommen hatte, damit denen kein Aergerniss gegeben wuerde, welche die christliche Freiheit noch nicht erkannten. Auf ihre Verleumdungen antwortet er so: Wie wahr das sei, was die falschen Apostel wider mich erdichten, um mein Evangelium zu verstoeren und wiederum das Gesetz und die Beschneidung aufzurichten, das zeigt die Sache selbst genugsam an. Denn wenn ich das Gesetz und die Beschneidung predigte und das Vermoegen und das Vornehmen der Menschen lobte, so waere ich bei den Menschen nicht verhasst, sondern wuerde ihnen wohlgefallen. 1) Wittenberger: _otium_ statt _odium_ ______________________________________________________________________________ This text was converted to ascii format for Project Wittenberg by Robert A. Oeser and is in the public domain. You may freely distribute, copy or print this text. Please direct any comments or suggestions to: Rev. Robert E. Smith Walther Library Concordia Theological Seminary E-mail:smithre@mail.ctsfw.edu Surface Mail: 6600 N. Clinton St., Ft. Wayne, IN 46825 USA Phone: (260) 452-3149 Fax: (260) 452-2126 ______________________________________________________________________________